Zwiespalt zwischen Freiheitsgefühlen und Wunsch nach Aufmerksamkeit
Barbara kennt die Grawandhütte so gut wie wenige. Bereits als Baby ist sie mit ihrer Mama auf der Hütte und musste sich arrangieren. Einerseits »Hüttenkind«, das oft zum Wohle der Gäste zurückstecken musste, andererseits ein tief verwurzeltes Heimatgefühl, das sie an die Hütte band. Und so ist sie wieder gekommen, mit ihrer Familie, weil die schönen Momente stets überwogen haben.
Im Interview erzählt sie von der Wahrnehmung ihrer Kindheit aus Sicht einer Erwachsenen.
Grawandmagazin: Barbara, wann bist du auf die Grawandhütte gekommen?
Barbara Hirner: Ursprünglich hätte ich bereits kurz nach meiner Geburt mit meiner Mama Hilde meine ersten Lebensmonate auf der Grawandhütte verbringen sollen, doch ich vertrug die Höhenluft nicht. Von meinem ersten Geburtstag bis zu meinem 24. Lebensjahr war ich dann fast jeden Sommer auf der Grawandhütte.
Das heißt, ihr habt die Hütte auch damals schon nur während der Sommerferien bewirtschaftet?
Nein, meine Mutter bewirtschaftete die Hütte anfangs von Ende Mai bis 17. Oktober, da im Herbst noch die Jagdgäste unterwegs waren, später bis 3. Oktober. Mit Schulbeginn war ich nur mehr in den Sommerferien auf der Hütte und während der Schulzeit, von Montag bis Samstag, bei meiner Ziehfamilie, Ernie und Raimund Schönherr, die mich neben ihren drei Buben wie ihr eigenes Kind aufzogen. Und während der Winter-monate hatte meine Mutter dafür sehr viel Zeit für uns.
Und am Wochenende bist du dann rauf in die Hütte?
Ja, genau. Von Samstag auf Sonntag war ich während der Schulzeit auf der Hütte. In den Sommerferien war ich durchgehend auf der Hütte oder bei meiner »Sommerfreundin« auf der Schwemm-Alm. Die Hüttenzeit war eine Art Hassliebe für mich. Einerseits wollte ich oben sein und hatte Heimweh nach der Hütte, wenn ich woanders war. Doch wenn ich dann oben war, wollte ich oft weg.
Wie hast du den Sommer als Kind auf der Hütte verbracht, ganz ohne Handy und WLAN ;-)?
Es gab auf der Hütte keinen Fernseher und das rauschende Radio wurde mit einer Autobatterie nur stundenweise betrieben. Als Kind habe ich mir eine Phantasiewelt aufgebaut und spielte mit imaginären Freunden. Manchmal schlüpfte ich in die Rolle des Gastes: ich verkleidete mich als Wanderer, stellte mich unter den Wasserfall, um wie nass geschwitzt auszusehen und kehrte dann in der Hütte ein, um eine Erbsensuppe zu bekommen. Manchmal habe ich Bauer gespielt oder die Bergschuhe der Wanderer und Jäger angezogen.
Klingt, als wärst du viel alleine gewesen?
Ja, wobei ich nicht in dieser Weise alleine war, wie wir es heute kennen. Heute sind wir oft nebeneinander alleine, weißt du, was ich meine? Wir sitzen nebeneinander und schauen in unsere Smartphones, die uns mit Menschen verbinden, die gar nicht neben uns sitzen und vielleicht auch gerade irgendwo anders mit jemandem sitzen, der keine Aufmerksamkeit bekommt, anstatt mit den Menschen zu reden, die neben uns sind oder in uns selbst reinzuhören. Auf der Hütte wurde Geselligkeit gelebt und es war auch eine lässige Zeit. →
Ich durfte so viele Leute und unterschiedliche Charaktere kennenlernen. Es war eine echte Lebensschule. Wir sind in der Küche zusammengesessen, haben geratscht und manchmal gesungen. Dort habe ich auch Peter Habeler und Gerhard Hörhager kennengelernt. Diese Zeit hat mich geprägt und ich wurde ein sehr offener Mensch. Schlussendlich habe ich auch meinen Mann Günther auf der Grawandhütte kennengelernt.
Warum hat deine Mama die Grawandhütte alleine geführt?
Als ich ein Baby war, kam es zur Scheidung meiner Eltern und meine Mama bekam die Hütte und versorgte mich und meinen Bruder damit.
Und als du mit der Schule fertig warst, bist du weiter auf der Hütte geblieben?
Ich habe in Rotholz die Hauswirtschaftsschule gemacht. Jeden Samstag habe ich nach der Schule alle Sachen mitgenommen, weil ich am Montag nicht wiederkommen wollte. Ich hatte Heimweh nach der Hütte. Doch ein Jäger, der oft bei uns zu Gast war, und meine Mama überredeten mich jedes Mal, wieder in die Schule zu fahren. Rückblickend war es gut so. Und von 1995 bis 1996 habe ich in Mayrhofen eine Kochlehre gemacht.
Warum hast du schlussendlich die Hütte 2015 von deinem Bruder übernommen?
Einerseits, weil die Hütte schon so lange im Besitz unserer Familie ist und mir ein Stück Heimat ist. Ich habe einen starken Bezug zum Haus und es ist ein Kraftplatz, für mich und für viele Gäste. Ein Ort zum Ankommen und Verweilen. Andererseits will ich meinen Kindern den Blick auf das Wesentliche und für die Natur öffnen, genau wie meinen Gästen. Ich freue mich schon wieder auf die nächste Hüttenzeit. Und auch wenn die Kinder ab und zu »sumpern«, dass es langweilig ist, ich keine Zeit für sie habe und sie runter wollen, freuen sie sich doch immer wieder auf die Hütte. Im Grunde gefällt es ihnen sehr und wenn sie ins Tal wollen, können sie runter. Doch sie sind wie Günther und ich. Uns gefällt die Freiheit, dass wir unsere eigenen Gesetze auf der Hütte schreiben können und weniger den üblichen Regeln unterworfen sind. Und wir bemühen uns, Zeit mit ihnen zu verbringen. Wir sitzen abends zusammen, bei einem Lagerfeuer, oder spielen in der Küche Karten und Spiele.
Hört sich an, als ob ihr wirklich hierher gehört?
Ja, ich glaube, es passt einfach zu uns. Es erinnert mich an die Geschichte des Alchemisten von Paolo Coelho. Günther und ich waren auf Weltreise, haben zwei Monate in Südafrika gelebt, in Amerika, Australien, Neuseeland, auf den Fidschis und auf Bali und haben ein Lokal in Dubai geführt. Vielleicht ist auch für uns die Hütte dieser Schatz, nach dem jeder sucht? Irgendwie sind wir, so gesehen, richtig reich. Denn wer hat das schon? So einen Ort, der einem Zuhause ist, an dem wir unsere eigenen Regeln aufstellen können. Beispielsweise, dass wir nur im Juli und August geöffnet haben. Als Familie gefällt uns das so und das ist der Weg, um auch noch genügend Zeit für uns zu haben. Es ist mir ein großes Anliegen, dass unsere Gäste verstehen, warum wir diesen Weg so gehen.
Was möchtest du deinen Gästen auf der Hütte mitgeben?
Ich wünsche unseren Gästen, dass sie bei uns eine echte Auszeit von ihrem stressigen Alltag erleben. Ausschlafen, die Ruhe und Natur genießen. Ankommen. Sich selbst und die Umgebung wirklich wahrnehmen. Rausfinden, was ihr Herz zum Singen bringt. Ich glaube, dass wir das alle brauchen, dieses Runterkommen vom Stress, vom »Online-Leben«, vom Funktionieren. Das versuche ich auch für mich selbst, wenn wir auf der Hütte sind. Und ich hoffe, dass es meine Gäste und auch ich dieses Jahr wieder ein Stückchen besser schaffen.
Danke für deine Zeit, liebe Barbara.
Ich danke. Ich danke meiner Mutter, meinem Papa, Ernie und Raimund Schönherr, meinen Freunden und Wegbegleitern, Günther und unseren Kindern und allen, die bei diesem Magazin mitgewirkt haben. Unseren Freunden Gerhard Hörhager, Prof. Peter Habeler, Mag. Wilfried Huber, dem »Das Büro ohne Namen – DBON« für die Gestaltung, allen Geschäftspartnern für ihre Anzeigen und dir für deine Koordination und Texte.