Geschichte: Bergsteigerdorf Ginzling

Wo der Alpinismus begann und wieder zur Ruhe kam

Steile Wände, Wasserfälle, saftige Wiesen ziehen an einem vorbei. Bei der Anreise entlang der Ziller und schließlich der Zemm hat man das Gefühl, mit jedem Meter mehr Alltag hinter sich zu lassen. Um schließlich im Bergsteigerdorf Ginzling anzukommen. Auf 999 Metern Seehöhe. Eingebettet in imposante Felswände. Verständlich, dass der Alpinismus und Tourismus im Zillertal vor 150 Jahren hier begann. Geblieben sind gemütliche Schutzhütten, Wander- und Höhenwege sowie die Ehrfurcht vor der Bergwelt.

Grawandhütte Zillertal historisch

Es ist schon fast Ironie, dass in der ruhigen Ortschaft Ginzling, eingebettet in den Zillertaler Alpen, Alpinismus und Bergtourismus des Zillertals so richtig in Fahrt kamen. Bereits 1864 wanderte Johann Stüdl erstmals im Zemmgrund. Ein Ausflug, dessen Folge die Ortschaft einige Jahre später zu einem bekannten Stützpunkt für Bergsteiger machen sollte: Denn nachdem Stüdl, gebürtiger Prager, erfolgreich die Bergführer am Großglockner zusammenschloss und Mitbegründer des damals Deutsch-Österreichischen Alpenvereins war, setzte er sich auch für die Etablierung eines Führerwesens in Tirol ein, das die Ausrüstung und Tarife von Bergführern regelte. Dadurch bekamen auch unerfahrene Wanderer die Möglichkeit, die Zillertaler Alpen zu besteigen. Ab 1878 machte er sich für eine hochwertige Verpflegung im Gasthaus Roßhag stark. Andere Gasthäuser folgten, um die Touristen im »Zemm- und Zillerthale« wie in Stadthotels zu verpflegen. Johann Stüdl war außerdem maßgeblich für den Hütten- und Wegbau im Zemmgrund verantwortlich.

Einst Ausgangspunkt des Zillertaler Alpinismus

Aber von Mairhofen aufwärts, wo sich das breite Thal in eine Reihe von engen steilwändigen Schluchten gabelt, wird’s groß und schauerlich.« So wurde der Zugang zum Zemmgrund damals in der Illustrierten Zeitung am 26. September 1891 beschrieben. Dank Johann Stüdl, der Schilderungen begeisterter Bergsteiger und wissenschaftlicher Aufsätzen wie die des Geografen Ferdinand Löwl folgten zahlreiche Bergliebhaber. Und aus der Siedlung entstand ein Treffpunkt für Bergsteiger.

Bergführer-Ordnung

Ende der 1920er-Jahre wurde Ginzling als beliebter Ferienort schließlich ans Straßennetz angebunden und kam nach dem Zweiten Weltkrieg dank Fremdenverkehr wirtschaftlich schnell wieder auf die Beine und besann sich seiner alpinen Tradition. Seit 2004 ist Ginzling als Bergsteigerdorf des Österreichischen Alpenvereins offizieller Treffpunkt bedachter Bergsteiger, Kletterer und Naturliebhaber. Heute ist hier genau richtig, wer aktiv sein möchte. Wer Ruhe finden möchte, auch.

Ein Treffpunkt der Alpinszene – einst und heute

Ginzling ist Ausgangspunkt für Touren auf viele der 72 Dreitausender der Zillertaler Alpen und unter anderem zur Wanderung auf die Grawandhütte, dem Kraftplatz im Naturpark Zillertal. Dornauberg-Ginzling, wie das Dorf der zwei Gemeinden mit 200 Einwohnern eigentlich heißt, wird von der Zemm in die Gemeinde Finkenberg (Dornauberg) und Mayrhofen (Ginzling) getrennt. Ein Unikum, wie auch einige berühmte Söhne des Alpinismus, die aus dieser Gegend stammen.

Joseler Jörgl, Sagschneider Heinrich und Hans Fiechtl oder Schwarzenstein-Hansl erklommen Gipfel, die auch heute noch als anspruchsvoll gelten – siehe Ausflugstipps. Der Sagschneider Heinrich begann schließlich das Skifahren in Ginzling und Fiechtl kennen Kletterer aufgrund des gleichnamigen Hakens. Gerhard Hörhager sen. folgte deren Fußstapfen und schaffte zahlreiche Erstbegehungen – siehe Interview mit Sohn Gerhard Hörhager, einem der Sportkletterpioniere des Zemmgrundes. •

Zahlreiche Informationen und Abbildungen wurden freundlicherweise von Wilfried Huber aus Ginzling zur Verfügung gestellt. ein herzliches Dankeschön!

Ausflugstipps in Ginzling:

Naturparkhaus im Dorf
Nasenwand-Klettersteig für gut Trainierte
Felswände und Boulderblöcke rund um Ginzling
Die „Ewigen Jagdgründe“: rund hundert Routen an riesigen Granitblöcken
Hochgebirgs-Naturpark: Von Mai bis Oktober werden über 200 geführte Wanderungen zu 40 verschiedenen Themen angeboten.

Factbox:

Bergsteigerdörfer des Österreichischen Alpenvereins sind regionale Entwicklungskerne im nachhaltigen Alpintourismus für ein bewusstes Naturerlebnis. Sie garantieren ein professionelles Tourismusangebot für Bergsteiger, weisen eine hohe Landschafts- und Umweltqualität auf und setzen sich für die Bewahrung der örtlichen Kultur- und Naturwerte ein.